von Jörg Utecht
Über viele Jahrhunderte hinweg weigerten sich die Kölner:innen, an die Legende vom Storch zu glauben, der die jungen Paare mit Nachwuchs versorgt. Mit so einem albernen Quatsch brauchte man den mittelalterlichen Rheinstädtern nicht zu kommen. Denn sie hatten ja den Kunibertspütz. Bei diesem legendären, ursprünglich vorchristlichen Brunnenheiligtum handelt es sich um einen tiefen Schacht, auf dessen Grund die Jungfrau Maria mit den ungeborenen Kindern Kölns spielt und sie in wunderbarer Weise nährt. Das Loch befindet sich heute unterhalb Kölns ältester romanischer Basilika, die nach Bischof Kunibert benannt ist und dem Viertel zwischen Rhein, Bahnhof, Turiner Straße und Ebertplatz seinen Namen gegeben hat.
Und dort kann auch heutzutage noch ganz ordentlich gespeist werden. Mittags zumal. Das Herz der gastronomischen Grundversorgung dieses kleinsten kölschen Veedels ist wohl unbestritten das Max Stark, Ecke Thürmchenswall, Unter Kahlenhausen gelegen. Zuverlässig rappelvoll ist es hier allmittäglich, wenn sich Nachbarn mit in der Nähe beschäftigten Büromenschen auf ein Päffgen treffen. Eine der besseren Brauhausküchen versorgt die Gäste mit den kölschen Klassikern. Der Sauerbraten ist hier noch vom Pferd, die Nierchen schmecken tadellos und die regelmäßig wechselnde Tageskarte bietet deftig leckeres wie Spitzkohlrouladen, Rinderbraten oder Apfelpfannkuchen. Im Service und in der Küche arbeiten Profis und an den engen Tischen funktioniert die sprichwörtliche rheinische Geselligkeit ganz unaufgeregt und angenehm.
Während nebenan zwei asiatische Imbisse seit Jahr und Tag kulinarische Kontrapunkte setzen, hat auf der gegenüber liegenden Ecke im Frühsommer das Kaukasia eröffnet. Dieses vormals in Weiden beheimatete georgische Restaurant trägt mit seiner traditionellen Länderküche nunmehr zur Vielfalt bei. Besonders die Teigtaschen und -schiffchen sind empfehlenswert.
Ein paar Meter weiter liegt das LORE, das „Lobby-Restaurant für Berber und Banker“. An diesem inklusiven Ort treffen sich seit knapp dreißig Jahren schon Menschen, deren Lebensmittelpunkt die Straße ist, mit Gästen aus allen anderen gesellschaftlichen Schichten zum gemeinsamen Mittagsmenü für kleines Geld.
Am südlichen Rand, in Richtung Breslauer Platz, wird das Viertel von Hotels und Bürogebäuden dominiert. Einige Restaurants wie das Tang Wang oder das Weinlokal heinzhermann versorgen auch hier das mittägliche Publikum in verlässlicher Manier.
Doch geprägt, ja dominiert wird das mittägliche Leben im Kunibertsviertel aus seiner Mitte heraus, von den Studierenden, Lehrenden und Angestellten der Musikhochschule. Zwar verfügt diese größte Institution ihrer Art in Deutschland über eine eigene Mensa. Aber in direkter Nähe gibt es mindestens drei richtig gute Alternativen für einen kreativen akademischen Mittagstisch. Das Miguelitos ist ein peruanischer Imbiss, wo Spezialitäten wie eine Jalea Mixta, eine Ceviche oder Lamm in Koriandersoße mit Bohnencreme die Hungrigen laben. Eine gewisse Unzuverlässigkeit die Öffnungszeiten betreffend muss allerdings konstatiert werden.
Zuverlässig mittags geöffnet – und zwar ausschließlich – hat das Kochkollektiv. Auch hier ist es eng und meist voll, was nicht zuletzt den günstigen Preisen
geschuldet sein dürfte. Drei täglich wechselnde, meist vegetarische Hauptgerichte werden neben verschiedenen Quiches und Salaten und köstlichem Kuchen angeboten. Auch wenn das Ambiente studentisch und die Teller rustikal anmuten, wird immer frisch und lecker gekocht.
Wer es eine Stufe elaborierter mag, biegt an der nächsten Ecke in die Dagobertstraße ein und steht nach wenigen Metern vorm Augustin im Kolpinghaus, dem Zweitrestaurant von Eric Werner. Von Mittwoch bis Samstag wird hier ein Drei-Gänge-Businesslunch serviert, bei dem meist alles passt. Ein Ort zum ohlfühlen – wie das ganze Viertel.
Die Texte von Jörg Utecht zum Mittagstisch wurden ebenfalls in der Zeitschrift Zwischengang veröffentlicht.