von Jörg Utecht
Die Auswirkungen der zweieinhalb Jahre währenden Pandemie auf die Kölner Gastronomie wollte ich an dieser Stelle ebenfalls und ganz bewusst aussparen. Dieses Vorhaben habe ich auch lange durchhalten können. Nun aber ist ein Punkt erreicht, an dem nicht nur die Folgen für Restaurants, Bistros und Brauhäuser in ökonomischer, personeller und struktureller Form immer stärker zum Tragen kommen. Mehr und mehr Läden schränken ihre Öffnungszeiten ein oder schließen ganz. Mit besonderer Wucht trifft diese Entwicklung das Mittagsgeschäft. Wer jenseits der Abendstunden Hunger hat oder schlicht kulinarische Ablenkung sucht während der Arbeitspausenzeiten, steht allzu oft vor verschlossenen Türen an zuvor häufig frequentierten Orten. Es fehlt nicht zuletzt an Personal – und an Finanzkraft, um durch bessere Bezahlung neue Kräfte anzulocken.
Eine weitere Coronafolge jedoch ist auf der anderen Seite des Geschäfts auszumachen. Denn auch wir Kunden haben uns und unseren Konsum den neuen Gegebenheiten angepasst. Neben einer ökonomisch bedingten Zurückhaltung hat sich ganz offensichtlich auch bei der neben den wieder zurückgekehrten Touristen größten Gruppe der Mittagsgäste – den Büromenschen, die ihre Pausen und Mägen sinnvoll füllen wollen – eine spürbare Verhaltensänderung vollzogen. Lange Homeoffice-Phasen haben eine gewisse Entwöhnung bewirkt und alternative Verpflegungsformen etabliert. Vom verstärkten Selberkochen zuhause ist nach der Rückkehr ins Büro bei vielen die neue Angewohnheit „Meal Prep“ geblieben. Brotboxen, Henkelmänner und Tupperware blockieren nun die Kühlschränke und Abstellflächen in Teeküchen. Mikrowellengeräte und Wasserkocher laufen vielerorts heiß zwischen 12:00 und 13:00 Uhr.
Eine nicht-repräsentative Blitzumfrage im KollegInnenkreis bestätigt dies: Verließen vor Corona vier von sechs KollegInnen mittags den Arbeitsplatz, um sich auswärts zu verpflegen, hat sich diese Zahl inzwischen drastisch reduziert. Meist kehren pünktlich um halb 1 nur noch zwei Menschen dem Bürogebäude im Gereonsviertel den Rücken. Regelmäßige Restaurantbesuche leistet sich nur noch einer – und zwar ich. Die andere frequentiert das zugegeben im Umfeld recht gute Take-Away-Angebot und setzt sich meist mit einer Speise der Wahl in eine der umliegenden Grünanlagen. Ich hingegen halte den immer weniger werdenden, ernsthaften Gastronomen in meinem Revier zwischen Friesenstraße und Weidengasse die Treue. Weil das mittägliche Auswärtsessengehen nicht nur notwendige Triebbefriedigung ist für mich, sondern viel mehr noch kulturelle und soziale Notwendigkeit. Mal schauen, wie lange sich dieser wahrscheinlich einigermaßen elitäre Ansatz noch durchhalten lässt.
Die Texte von Jörg Utecht zum Mittagstisch wurden ebenfalls in der Zeitschrift Zwischengang veröffentlicht.